Probleme der Verlage mit mobilen Websites

Foto: Andrys/Pixabay (CC0 Creative Commons)

Mit der Krise der „Frankfurter Rundschau“ (vgl. Spiegel Online 2012a) und dem Ende der „Financial Times Deutschland“ (vgl. Spiegel Online 2012b) zeichnet sich ab, dass sich das amerikanische Zeitungssterben auch in Deutschland fortsetzt. Von Miami bis Seattle wurde dort bereits aufgrund bröckelnder Anzeigenerlöse und schrumpfender Verkaufszahlen ein Traditionsblatt nach dem anderen eingestellt (vgl. Schwab 2009; Weichert 2009, S. 7–10). Die jüngsten IVW-Zahlen zeigen, dass es auch in Deutschland für den einen oder anderen Verlag noch schwierig werden dürfte. Und auch durch das Wachstum bei digitalen Ausgaben (ePaper) können die Rückgänge der Papierauflagen nicht ausgeglichen werden (vgl. Genios 2013; IVW 2014c). Die Branche steht unter Zugzwang und muss neue Erlösmodelle entwickeln, um Verluste im Anzeigen- und Abo-Geschäft auszugleichen (vgl. Pasquay 2013). Das starke Wachstum des stationären und mobilen Internets birgt für Verlage aber auch neue Chancen: Bereits 2013 besuchten vierzig Prozent der Internetnutzer regelmäßig ein Online-Angebot der Tagespresse (vgl. Agma 2013). Trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich die Branche insbesondere am Werbemarkt gegenüber sieht, erreichen Zeitungen gedruckt, online und mobil heutzutage mehr Menschen als je zuvor, betont auch Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in seiner Rede beim Zeitungskongress 2013. Fünfzig Millionen Männer und Frauen würden täglich Zeitungs-Inhalte lesen bzw. nutzen, was fast achtzig Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über vierzehn Jahren entspräche (vgl. Heinen 2013).

Verkaufte Auflage der Tageszeitungen in Deutschland von 1/2004 bis 01/2014 in Mio. Stück (vgl. IVW 2014c)

Verkaufte Auflage der Tageszeitungen in Deutschland von 1/2004 bis 01/2014 in Mio. Stück (vgl. IVW 2014c)

Laut einer Studie von Vibrant Media, dem weltweit führenden Anbieter kontextueller Werbelösungen, hatten im Jahr 2013 zwei Drittel (65%) der führenden deutschen Print-Medienmarken keine für das Smartphone optimierte Website. Dabei sind die Zeitungen noch überwiegend gut aufgestellt: Zumindest die führenden überregionalen Blätter und fast siebzig Prozent der regionalen Zeitungen verfügen über entsprechend optimierte Websites.

Infografik: Der dramatische Wertverlust von US-Zeitungen | Statista
(Mehr Statistiken finden Sie bei Statista)

Deutlich schlechter hingegen sieht es bei den Websites von Magazinen aus, die sich an Leser mit einem bestimmten Interessengebiet wenden, sog. Special-Interest-Zeitschriften. Von den zehn größten dieser Magazine verfügte kein einziges über eine mobiloptimierte Website (vgl. Vibrant Media 2013). Zu den Hinderungsgründen nennt Vibrant Media keine Details. Im Bereich des E-Commerce indes führte das Marktforschungsunternehmen ComScore hierzu eine Umfrage durch. Als Grund für fehlende Mobiloptimierung wurden dabei die hohen Kosten und der große Zeitaufwand genannt, den die entsprechende Optimierung einer Website mit sich bringt. Hinzu kommen Bedenken in Bezug auf Payment und Sicherheit – Argumente die sich jedoch auf Zeitungsverlage nicht ohne Weiteres übertragen lassen (vgl. Gillner 2012). Im Folgenden werden daher mögliche Probleme mit mobiloptimierten Websites aus Sicht der Verlage behandelt.

Monetarisierung redaktioneller Inhalte

Im Sommer 2013 rief der Zeitschriftenverlegerverband VDZ seine Mitglieder dazu auf, schnell auf die Entwicklung des mobilen Internets zu reagieren und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nicht nur mobile Werbung, sondern auch redaktionelle Bezahlinhalte (Paid-Content) und den Produktkauf mittels mobiler Endgeräte umfassen (vgl. Hauser 2013). Das viel diskutierte Thema Paid-Content allein wird allerdings wohl nicht ausreichen um die sinkenden Printerlöse auszugleichen: Laut einer Studie der Hochschule Offenburg ist zwar die Relevanz lokaler Informationen und Services hoch, die Bereitschaft für lokale Informationen auf dem Smartphone oder Tablet zu bezahlen jedoch eher gering. Gute Chancen für lokale Verlage sieht die Studie indes im Bereich des M-Commerce (vgl. Hochschule Offenburg 2013). Allerdings setzen die Verlage primär auf Apps anstatt auf mobile Websites – denn wie bereits erläutert, lassen sich diese durch die Möglichkeit des zentralen Vertriebs über Appstores leichter monetarisieren (vgl. Tißler 2010). Laut einer Studie des Beratungsunternehmens DSP-Partners und des Testing-Anbieters testhub werden sieben von zehn Apps in den Top-10-Rankings der aktivsten App-Publisher von Verlagen angeboten. Allein die vierzehn näher untersuchten Verlage hatten insgesamt 757 Smartphone- & Tablet-Apps in den Appstores. Obwohl der Markt von kostenlosen Apps dominiert wird, forcieren die Verlage eher kostenpflichtige Apps (vgl. DSP 2013).

Valide Reichweitenmessung mobiler Angebote

Webbasierte Verlagsangebote sehen sich im Hinblick auf mobile Endgeräte mit weiteren Problemen konfrontiert: So fordert beispielsweise die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträger (IVW) seit Juli 2013 die getrennte Messung von mobilen Angeboten, was zusätzlichen technischen Aufwand mit sich bringt (vgl. IVW 2014b). Insbesondere bei anpassungsfähigen Websites widerspricht der Ansatz einer gesonderten Ausweisung mobiler Zugriffe dem eigentlichen Grundgedanken des Responsive Webdesigns – schließlich gibt es hier nur eine zentrale Codebasis. Für die valide Messung der Portale ist die Firma INFOnline zuständig (vgl. INFOnline 2014). Diese hat mit dem SZM-Tag 2.0 zwar erst kürzlich ein neues, plattformübergreifende Messverfahren vorgestellt (vgl. INFOnline 2013; Berger 2014) – trotzdem muss die Trennung zwischen mobilen und stationären Besuchern auf Responsive Websites nach wie vor durch den Websitebetreiber sichergestellt werden (vgl. INFOnline et al. 2014) [vgl. Kriterium 11].

Anbindung der Redaktionssysteme

Redaktionssysteme müssen ebenfalls an die neuen Anforderungen angepasst werden. Leser von Online Zeitungsangeboten erwarten Informationen über aktuelle Geschehnisse möglichst zeitnah und zudem über verschiedene Kanäle (Online, Mobile, Print, ePaper usw.). Hier geht der Trend deutlich in Richtung Single Source Publishing: Dabei ist das Ziel, Inhalte in möglichst kleine Bausteine aufzuteilen und möglichst medienneutral an nur einer Stelle zu pflegen. Aus einer zentralen Quelle können dann sämtliche Kanäle beliefert werden (vgl. Closs 2011, S. 3–7).

Werbevermarktung

Dass viele Verlage bislang auf einen zentralen, vollständig anpassungsfähigen Auftritt für sämtlichen Endgeräte verzichten, wird z.T. auch auf die Vermarkter zurückgeführt, die sich bei ihren Werbeanzeigen von festen Pixelgrößen und eindeutig definierten Anzeigenpositionierungen verabschieden müssten. Die Verlage befürchten offenbar, dass ihnen wichtige Erlöse verloren gehen, wenn sie zugunsten eines Responsive Webdesigns auf die klassischen Bannerformate verzichten würden (vgl. Krauß 2014). Mit anpassungsfähigen, neuen Werbeformen wie beispielsweise Responsive und Native Ads stehen zwar bereits Alternative bereit (vgl. Schneider 2013; Dziallas 2014), allerdings hält der größte Verbund deutscher Tageszeitungsvermarkter OMS bislang an einer klaren Trennung zwischen mobiler und stationärer Werbung fest (vgl. OMS 2014) [vgl. Kriterium 3].

Beispiele für mobiloptimierte Ansätze aus der Verlagsbranche

Viele deutsche Printtitel können im Bereich des mobilen Internets bereits beträchtliche Reichweiten vorweisen: Unter den zehn größten mobilen Websites, mit jeweils mehr als vierzig Mio. mobilen Besuchen (Visits) im Monat, findet sich die Bild, der Spiegel und der Focus. Auch die Süddeutsche Zeitung, die Welt, die Zeit, der Stern und die Frankfurter Allgemeine Zeitung sind weit vorne dabei und können monatlich mit jeweils mehr als sechs Mio. mobilen Visits aufwarten. Die IVW-Zahlen zeigen, dass inzwischen fast jeder dritte Leser auf die großen Internetangebote von unterwegs aus zugreift. Zumindest die großen Verlagshäuser scheinen also das mobile Internet als Chance erkannt zu haben (vgl. Hauser 2013; IVW 2014a). In diesem Abschnitt werden einige ausgewählte mobile Angebote aus der Verlagswelt vorgestellt.

Bild.de als Beispiel für eine dedizierte mobile Website

Das Angebot der Bild-Zeitung sticht durch überdurchschnittliche absolute Besucherzahlen und einen hohen Anteil mobiler Visits aus dem Gesamtangebot deutscher Zeitungswebsites heraus. Im April 2014 verzeichnete die mobiloptimierte Variante von Bild.de über 92 Mio. Visits – zwei Drittel der gesamten Besuchszahlen, die im selben Monat bei etwa 279 Mio. Visits lagen (vgl. IVW 2014a). Der Bild.de-Verlag Axel Springer gilt in der Branche als digitaler Vorreiter. Unter dem Begriff BildPLUS wurde ein erfolgreiches Paid Content Modell in das Online-Angebot integriert. Zudem sind auf der Seite Geo-Lokalisierungsfunktionen integriert, die beispielsweise dazu genutzt werden, den Nutzern relevante Neuigkeiten aus der Umgebung anzuzeigen (vgl. Bild.de 2011; IT Times 2013).

Nachdem der mobile Auftritt bereits im September 2011 komplett überarbeitet wurde (vgl. Bild.de 2011), fand nun April 2014 ein erneuter vollständiger Relaunch statt. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die mobiloptimierte Variante teilweise nach den Prinzipien des Responsive Webdesigns umgesetzt wurde. Trotzdem verzichtet Bild auch weiterhin nicht auf eine Trennung zwischen stationären (www.bild.de) und mobilen Endgeräten (m.bild.de): Zugriffe von Desktop-PCs werden auch weiterhin auf die Desktop-Variante umgeleitet, während mobile Endgeräte auf die neue mobile Website gelangen. Durch das Responsive Design der mobilen Website geht Axel Springer auf die große Vielfalt der als mobil zu definierenden Geräte und ihre unterschiedlichsten Display-Formate ein (vgl. Schade 2014b; Zillgens 2013, S. 10–13).

Boston Globe als Beispiel für Responsive Webdesign

Eine der ersten Zeitungen und eine der ersten Websites überhaupt, die die Prinzipien des Responsive Webdesigns konsequent berücksichtigt hat, ist der Internetauftritt der Boston Globe (vgl. BostonGlobe.com 2014). Die Seite passt sich über sechs Zwischenschritte hinweg in Größe, Spaltenbreite, Funktionalität, Navigation und Struktur an das jeweilige Bildschirmformat an. Zudem wurden Möglichkeiten zum Speichern einzelner Artikel implementiert, die es ermöglichen, die Seite auch Offline zu verwenden. Die Website erhielt viel Aufmerksamkeit sowohl von Seiten der Verlagsbranche als auch von Webentwicklern. Da die Website u.a. über kostenpflichtige Inhalte und native Werbeformen finanziert wird, konnte die Positionierung von Werbebannern offenbar vernachlässigt werden – auf der Seite findet sich generell kaum (klassische) Bannerwerbung (vgl. Rowinski 2011; O’Regan 2011).

BostonGlobe.com auf verschiedenen Endgeräten (Nair 2013)

BostonGlobe.com auf verschiedenen Endgeräten (Nair 2013)